Presseerklärung Verdi zur Stuttgarter Erklärung 18. Januar 2013
Erzieherinnen warnen vor Abbau der Qualitätsstandards
Dagmar Schorsch-Brandt, stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin, forderte auf der Tagung alle politischen Ebenen zur Zusammenarbeit auf: „Jahrelang wurden die offenkundigen Hausaufgaben
nicht gemacht. Wer jetzt Lösungen auf Kosten der Betreuungs-Qualität anstrebt, bestraft Erzieherinnen, Eltern und vor allem die Kinder. Hier darf es keine Abstriche geben.“
Um den Fachkräftemangel zu begegnen, fordert ver.di neben einer Verbesserung der Rahmenbedingungen attraktive Arbeitsbedingungen und Einkommensverbesserungen.
Hansi Weber, Erzieherin und Sozialpädagogin, ver.di Landesfachgruppenvorsitzende Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe: „Die gesellschafts- und bildungspolitischen Ziele beim Ausbau der
Kleinkindbetreuung und bei der Bildungsgerechtigkeit sind nur zu erreichen, wenn in Zukunft genügend qualifizierte Fachkräfte gewonnen werden können. Dies setzt voraus, den Beruf attraktiv zu
machen, was ohne Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen nicht möglich ist. Die derzeit auf dem Tisch liegenden Forderungen nach Erhöhung der Gruppengröße und Senkung der
baulichen Standards sind dazu gänzlich ungeeignet.“
Pressekontakt: Dagmar Schorsch-Brandt 0170 9218345
Stuttgarter Erklärung vom 18. Januar 2013
Resolution zum Ausbau von Bildungs- und Betreuungsplätzen für Kinder ab 1 Jahr
Der flächendeckende Ausbau von Bildungs- und Betreuungsplätzen für ein- bis dreijährige Kinder ist ein wichtiges bildungs- und sozialpolitisches Vorhaben. Nach aktuellen Pressemeldungen des
Statistischen Bundesamtes scheint es kaum noch möglich, den gesetzlich garantierten Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren zum 1. August 2013 flächendeckend in Deutschland zu realisieren.
Zum 1. März 2012 lag die Betreuungsquote der ein- bis dreijährigen Kinder in Baden-Württemberg bei 23,1%. Geht man von einer Betreuungsquote von 37% zur Verwirklichung des Rechtsanspruches aus,
fehlen in Baden-Württemberg mehr als 6.400 pädagogische Fachkräfte. Die Ausweitung der Ganztagsbetreuung verstärkt darüber hinaus den Mangel an pädagogischen Fachkräften.
Obwohl seit 2007 bekannt, gibt es keinen abgestimmten Plan, um die notwendige Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Es mehren sich Stimmen, den quantitativen
Ausbau zu Lasten von Kita-Qualität zu forcieren. Vorschläge, wie die Vergrößerung der Gruppen, Anrechnungen von Fachkräften in Ausbildung (PiA) auf den Personalschlüssel oder das Platz-Sharing,
bei dem sich mehrere Kinder einen Kita-Platz teilen, würden zu deutlichen Qualitätsverlusten und weiteren zusätzliche Belastungen für pädagogische Fachkräfte führen. Kindertagesstätten sind
Bildungseinrichtungen, die Fachkräfte müssen, ihrem Auftrag gemäß, den vorliegenden Bildungsplänen gerecht werden können. Es ist daher notwendig, zentrale Rahmenbedingungen wie Personalschlüssel
und Gruppengrößen zu verbessern.
Baden-Württemberg versucht im Rahmen eines Schulversuchs (Praxis integrierte Ausbildung – PiA) die Ausbildung zur Erzieherin durch Zahlung einer Vergütung attraktiver zu machen und Quereinsteiger
für diesen Beruf zu gewinnen. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass dies gelingen kann. Damit sich viele Einrichtungen an diesem Versuch beteiligen, dürfen die Fachkräfte in Ausbildung nicht auf
den Personalschlüssel angerechnet werden. Notwendig ist auch eine Freistellung für Anleiterinnen und Anleiter.
Zur Behebung des Fachkräftemangels werden zunehmend Kurzausbildungen angeboten und durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert. Ferner wird der Einsatz von Nicht-Fachkräften in Erwägung gezogen,
aber auch der verstärkte Einsatz von Großtagespflegestellen wird geplant. Diese Maßnahmen drohen, die pädagogische Qualität in den Kindertagesstätten zu verschlechtern – zu Lasten der Kinder,
ihrer Eltern und der pädagogischen Fachkräfte.
Notwendig sind neben einer Verbesserung der Rahmenbedingungen attraktive Arbeitsbedingungen und Einkommensverbesserungen, damit dem Fachkräftemangel begegnet werden kann.
Die Kommunen werden aktuell mit dem Ausbau der Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur stark belastet. Das Land hat durch eine deutliche Ausweitung der Finanzierung (2012: 315 Mio. €; 2013: 325
Mio. €; ab 2014: Übernahme von 68% der laufenden Betriebskosten) die Kommunen unterstützt. Die Finanzmittel für den weiteren Ausbau müssen auch vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Damit die
finanziellen Grundlagen hierfür vorhanden sind, müssen die starken Schultern an der Finanzierung der gesellschaftlichen Infrastruktur stärker beteiligt werden, z.B. durch Einführung der
Finanztransaktionssteuer, Anhebung des Spitzensteuersatzes, Vermögenssteuer.
Den Rechtsanspruch für alle Kinder ab einem Jahr zu garantieren ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Notwendig ist ein gemeinsames Arbeiten an Lösungen. ver.di fordert daher alle
Beteiligten, insbesondere den Bund, die Bundesländer und Kommunen auf, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und klare Verabredungen darüber zu treffen, wie eine Einlösung des Rechtsanspruches
– durch gute Bildungs- und Betreuungseinrichtungen - in allen Kommunen für alle Kinder ab einem Jahr ermöglicht werden kann.
Fachkräfte in qualitativ guten Bildungs- und Betreuungseinrichtungen unterstützen und begleiten Eltern bei der Bildung, Betreuung und Erziehung ihrer Kinder. Sie sind notwendig, um das Recht
aller Kinder auf Bildung zu realisieren, und tragen somit zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit bei.
Herausgeber:
Andreas Henke
Pressestelle
ver.di-Landesbezirk Baden-Württemberg
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